Worum geht es?
Das Forschungsprojekt EWCaB wird durch das internationale Forschungsteam zwischen der Ruhr-Universität Bochum (Leitung des Projektes), der Cardiff University und dem Institut de Recherches Economiques et Sociales Paris bearbeitet. Konkret wird untersucht, wie sich der Brexit auf Europäische Betriebsräte auswirkt (EBR). EBR gewähren Arbeitnehmern in multinationalen Unternehmen (MNCs), die in der Europäischen Union (EU) tätig sind, Anhörungs- und Informationsrechte. Die Entscheidung des Vereinigten Königreichs (UK), die EU zu verlassen, hatte Auswirkungen auf die EBR, da sie zwei Schwellenbedingungen der EBR-Gesetzgebung betraf, nämlich das Vorhandensein von Standorten in mindestens zwei europäischen Ländern mit 150 Beschäftigten und eine erforderliche Gesamtgröße des europäischen Unternehmens von 1.000 Beschäftigten. Der Brexit bedeutete, dass einige multinationale Unternehmen mit Tochtergesellschaften im Vereinigten Königreich diese Bedingungen nicht mehr erfüllten.
Was ist der theoretische Hintergrund?
Dabei stützt sich das Projekt auf den soziologischen Neo-Institutionalismus. Ein wichtiger Gedanke dieses Theoriestranges ist, dass Institutionen eine regulatorische, normative und kulturelle Dimension haben. Die regulatorische Dimension bezieht sich auf die EBR-Gesetzgebung, die Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer*innen und Unternehmen festlegt. Innerhalb dieses regulatorischen Rahmens entwickeln die Akteure Praktiken, Normen und Ideen, die spezifisch für ihre Umsetzung der EBR-Gesetzgebung auf Unternehmensebene sind. Die zentrale Frage dieses Forschungsprojekts ist: Was passiert mit einem EBR, nachdem die regulatorische Dimension weggebrochen ist? Eine Möglichkeit ist, dass ein EBR aufhört zu existieren, z. B. könnte die Unternehmensleitung darauf bestehen, dass die gesetzlichen Schwellenwerte eingehalten werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass die frühere Arbeit und die Erfahrungen zwischen EBR und Management Normen, Routinen und Ideen formen, die den Fortbestand eines EBR ermöglichen.
Wie ist der Forschungsstand und welche Vorarbeiten wurden geleistet?
Die bisherige Forschung konzentrierte sich vor allem auf den institutionellen Wandel. Das Forschungsprojekt geht über diesen Fokus hinaus und fragt, wie Institutionen umgewandelt, erhalten oder aufgegeben werden, und konzentriert sich auf die Gebiete des institutionellen Wandels, Stabilität und den Untergang von Institutionen. Eine zentrale Aufgabe besteht darin, die Triebkräfte, Faktoren und Akteure zu identifizieren, die diese institutionellen Prozesse im Zuge des Brexits erklären. In der Vorbereitung für das Forschungsprojekt hat das Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum erste Untersuchungen zu den vom Brexit betroffenen EBRs in Deutschland durchgeführt, die zeigten, dass einige EBRs und die Unternehmensleitung ergänzende Vereinbarungen als Ersatz für die EU-Gesetzgebung ausgehandelt haben, während andere darum kämpften, die britischen Kolleg*innen im Gremium zu halten. Auf dieser Grundlage fokussiert das Projekt Anpassungsprozesse in 16 eingehenden Fallstudien von EBRs (ca. 128 Interviews) mit Arbeitnehmervertretungen, Gewerkschaften und der Unternehmensleitung.
Was ist der Beitrag des Projektes?
Vor diesem Hintergrund leistet das internationale Forschungsprojekt mehrere herausstechende Beiträge. Erstens wurden die Auswirkungen des Brexit auf die EBR bisher noch nicht untersucht, sodass wir empirisches Neuland betreten. Zweitens leisten wir einen Beitrag zur theoretischen Literatur, indem wir erklären, wie Institutionen fortbestehen, sich verändern oder untergehen, wenn die regulatorischen Grundlagen verschwinden. Dabei gehen wir über die gut entwickelte Literatur zu Veränderungen von Institutionen hinaus und spezifizieren Mechanismen, die Institutionen aufrechterhalten und deren Stabilität oder Untergang erklären. Drittens hat das Projekt eine praktische Dimension mit Workshops in Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich, um Praktiker*innen Ratschläge für den Umgang mit dem Brexit zu geben, die in Anpassungsprozesse auf Unternehmensebene einfließen und sich auf die Arbeitsbeziehungen auswirken werden.
Forschungsförderung:
Dabei wird das Projekt im Rahmen der prestigeträchtigen siebten Runde des research the social sciences in the open research area (ORA) finanziert. ORA basiert auf einer Vereinbarung zwischen der Agence Nationale de la Recherche (ANR; Frankreich), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; Deutschland), dem Economic and Social Research Council (ESRC; Großbritannien) und dem Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC; Kanada).
Präsentationen und Veröffentlichungen:
Project Team Ruhr-Universität Bochum:
Project Team Institut de Recherches Economiques et Sociales Paris:
Project Team Cardiff University: