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Hybride Interessenvertretung in der digitalen Ökonomie

 

Das Projekt untersucht die Entstehungs- und Erfolgsbedingungen hybrider Interessenvertretungsformen in der digitalen Ökonomie. Ausgangspunkt ist die sich weiter ausdifferenzierende digitale Plattformökonomie und eine damit einhergehende Veränderung von Arbeit und Beschäftigung, welche massive Auswirkungen sowohl auf die in diesem neuen Segment tätigen Crowdworker*innen und Content Creators als auch auf nationale Strukturen der Erwerbsregulierung hat. Crowdwork ist in aller Regel eine prekäre Beschäftigungsform, bei der die Erwerbstätigen weder ein auskömmliches Einkommen noch Zugangsrechte zu sozialen Sicherungssystemen erwerben. Als Ursache wird in der Literatur gemeinhin die Marktmacht großer Plattformunternehmen betrachtet, die in der Lage sind, diese Marktmacht auf unregulierten Plattformen zu Lasten der Leistungserbringer*innen einzusetzen. Die Schutzbedürftigkeit der hier arbeitenden Subjekte wird durch staatliche und verbandliche Ansätze bislang kaum adressiert. Zum einen sind Crowdworker*innen in der Regel Solo-Selbständige; arbeitsrechtliche Bestimmungen, die bei abhängiger Beschäftigung wichtige Schutzfunktionen erfüllen, greifen in diesem Segment daher kaum. Zum anderen wird die kollektiv-verbandliche Organisation sozial aber auch rechtlich erschwert; denn die klassischen Bedingungen für die Entstehung von Solidarität und kollektiver Interessenvertretung – wie eine Betriebsorganisation, die Zugehörigkeit zu einem Beruf sowie geteilte Erfahrungen von Missständen in der Arbeit fehlen in dieser Sphäre. Die Gründung einer Gewerkschaft ist für Selbstständige nicht möglich, die Bildung von Verbänden unter kartell- bzw. wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten schwierig.


Ungeachtet dessen sind in den letzten Jahren vielfältige Formen kollektiver Gegenbewegungen bzw. Interessenvertretungen entstanden. Hierzu zählen die Gründung von Betriebsräten bei Kurierdiensten oder die Ausdehnung gewerkschaftlicher (Beratungs-)Angebote für Plattformarbeit. Auch finden sich gänzlich neue Praktiken der Interessenwahrnehmung, die z. T. selbst auf Plattformen basieren und sich jenseits der etablierten Institutionen des deutschen dualen Systems der Interessenvertretung konstituieren (z. B. Internet-Foren oder technische Plug-Ins). Obgleich bereits einige Analysen zu derartigen Initiativen vorliegen, ist bislang nur wenig über die Entstehungsbedingungen und Erfolgschancen kollektiver Interessenvertretung in der Plattformökonomie bekannt. Dies betrifft insbesondere das Wechselspiel zwischen Gewerkschaften und neuen Formen der Interessenvertretung.


In Anbetracht dessen wurden in einem ersten Forschungsschritt die Entstehungs- und Erfolgsbedingungen der „FairTube“-Kampagne, die 2019 von der YouTubers Union und der IG Metall ins Leben gerufen wurde, um die Beschäftigungsbedingungen der Videoproduzent*innen auf der Plattform YouTube zu verbessern, untersucht. Mit Hilfe eines Mixed-Methods-Designs (Diskursnetzwerkanalyse von Medien, Expert*innen-Interviews) wird die Frage nach dem Zusammen- und Wechselspiel zwischen etablierten und neuen Akteuren der Interessenvertretung in der digitalen Plattformökonomie untersucht. Die Studie zeigt, dass im Rahmen der Kampagne nicht nur Praktiken der Interessenvertretung aus unterschiedlichen Domänen (Gewerkschaften, soziale Bewegungen) kombiniert werden, sondern sich dauerhafte Strukturen aus Sinnzuschreibungen, und (Macht-)Ressourcen herausbilden. Diese bezeichnen wir als „hybride Interessenvertretungsform“, der es durch die Zusammenlegung von Machtquellen zumindest zeitweise gelingt, spezifische Herausforderungen der Plattformökonomie (ungleiche Machtverteilung, Willkür, fehlende Beteiligung, Intransparenz) zu bearbeiten.

 

Vorträge und Veröffentlichungen

  • Hertwig, M. und Witzak, P. (10/2020). Hybride Interessenvertretung im Feld der Plattformarbeit. Die YouTubersUnion und die FairTube-Kampagne. Jahrestagung GIRA 2020, Ruprecht-Karls-Universitaät Heidelberg.

Projektbearbeitung:
Prof. Dr. Markus Hertwig
Patrick Witzak M.A.